Konzentrierte Queerness 

Zu Offerus Ablingers „Trans/Masc (Serie 1-4)“ 

 

Betrachte ich die aktuellen Bilder „Trans/Masc (Serie 1- 4)“ von Offerus Ablinger sticht mir der weiße Grund ins Auge. Aus einer strahlend weißen Fläche ohne Schatierungen oder erkennbarem Pinselstrich erheben sich die Figuren, Körper, Torsi. Oder versinken sie? Das liegt im Auge der Betracher:innen. Zu sehen sind Fragmente von Körpern, die als männlich gelesen werden können, Körperformen in barocken Drehungen und Windungen, Schatierungen der Haut, die auf den ersten Blick realistisch wie ein Foto wirken, bei genauem Hinsehen aber traditionelle Maltechnik von hohem handwerklichem Können mit feinem Pinselstrich und zarter Lasur erkennen lassen. Trotz ihrer Nacktheit entziehen sich die Porträts einer offensichtlichen Erotik, da sie sich auch gängigen Schönheitsklischees verweigern. Ihre Männlichkeit ist fragil und brüchig. 

 

Offerus Ablinger definiert sich selbst als queerer Mann*, der Männlichkeit und die damit verbundenen althergebrachten Geschlechterzuschreibungen, in Frage stellt. In einem Akt der Selbstermächtigung, der es ihm erlaubt, zu definieren, was männlich ist und sein kann, zeigt sich eine politische Haltung, die gängige Machtverhältnisse hinterfragt und kritisiert. Queere Identitäten und Zuschreibungen sind fluide, wie die von ihm gemalten Körper, die er in einem Moment ihrer Veränderung festzuhalten scheint. Die Körper aus Fleisch und Blut verwandeln sich in Cyborgs oder umgekehrt, so wie die Körper aus dem Weiß auftauchen oder verschwinden. Ein Männerbein aus Haut und Haar, ein in die Höhe gereckter Arm, ein manieristisch verdrehter Hals – sie gehen über in abstrakte Formen, lösen sich in der Abstraktion auf oder gehen aus ihr hervor. Und tauchen ein ins Weiß, ins unendliche Weiß. 

 

Die gewählten, expressiven Körperhaltungen und die altmeisterliche Manier stehen auch in einer Tradition des Camp, jener schwulen Kunst und Lebensweise, die Susan Sontag in den 1960er-Jahren als „Liebe zum Unnatürlichen, zum Trick und zur Übertreibung“ definierte. Camp ginge es „nicht um Schönheit, sondern um den Grad der Kunstmäßigkeit, der Stilisierung.“ So realistisch die Männerbilder von Offerus Ablinger wirken, sie sind doch jeder Natürlichkeit enthoben. Körpergrenzen sind aufgehoben, eindeutige Zuordnungen von Geschlecht und Gender verwischt. Männlichkeit wird, wie es Sontag in ihrer Definition für Camp fordert, unter Anführungszeichen gelesen, die „Existenz als das Spielen einer Rolle begriffen.“ Wie im Theater wird der männliche Körper auf einer Bühne präsentiert. 

 

Dabei werden Codes der queer-schwulen Subkultur aufgegriffen, erinnern einmal an Voguing-Posen, ein andermal an SM-Inszenierungen oder an Drag Performances. Video-Projekte und Performances sind für Offerus Ablinger auch eine Erweiterung der traditionellen Arbeit am Tafelbild, ein Ausgreifen in andere Kunstformen, für die er sich auch gerne Kooperation mit anderen Künstler:innen sucht. Auch hier stehen Körper, Genderzuweisungen durch Sozialisierung und die Politisierung von Sexualität und Geschlecht im Zentrum seines Interesses, um heteronormative Strukturen und Grenzziehungen aufzubrechen und zu überwinden. 

 

Die Gemälde wirken fragmentarisch und sind doch als Fragment notwendig fertig. Der in der romantischen Kunsttheorie entwickelte Begriff des „notwendigen Fragments“ zielt auf die Unabgeschlossenheit und damit Offenheit eines Kunstwerks. Das Unfertige wird zum Ausdruck einer Welt, die in ihrer Ganzheit nicht (mehr) erfassbar und so auch nicht darstellbar war. Alles Beiwerk wird in den Gemälden von Offerus Ablinger weggelassen. Er konzentriert sich auf das Wesentliche: die Transformation. In seinen transhumanistischen Porträts queerer Männlichkeit wird der Moment der Veränderung in einem Augenblick festgehalten. Wie eingefroren. Diese Momentaufnahme verlangt die fragmentarische Darstellung, in ihr wird die queere Aufhebung heteronormativer Identitätszuschreibungen augenfällig. Die Queerness ist so nicht nur thematisch, sondern auch formal in Offerus Ablingers Kunst eingeschrieben. 

 

Andreas Brunner (Historiker, QWIEN)