Die Kunst des Infinito

 

 

Marija: Für dich habe ich mir das Thema Die Kunst des Infinito ausgesucht, weil du dir gut überlegst, welche Bereiche du innerhalb deiner figurativen Malerei aussparst und welche Wirkung du damit erzielst.

 

Offerus: Für mich ist die Auflösung von Räumen, die Auflösung von Körpern (was ist ein Körper? Was ist eine Körpergrenze?) sehr interessant. Vor allem in meinem neuesten Projekt Trans/Masc, wo es vermehrt um die Fragen geht: Was ist ein biologischer Körper und wo fängt in gewisser Weise auch der Geist an? Das ist sicherlich ein wichtiger Aspekt. Man erzielt durch das Infinito auch eine bestimmte Wirkung, weil es die Wirkung der farbigen Flächen verstärkt. Worum es mir auch geht: Man geht ja, wenn man ausstellt, meistens davon aus, dass es sich bei dem Ausstellungsraum um einen White Cube handelt. D.h. es verschwimmen die Grenzen des Bildes eigentlich mit der Wand.

 

Marija: Üblicherweise... (lacht)

 

Offerus: Üblicherweise. Nicht immer natürlich (lacht). Deshalb verwende ich oft Weiß als Hintergrundfarbe. Somit wird der Fokus verstärkt auf die Figur gelenkt. Weiters geht es mir auch verstärkt darum die Tradition der Malerei aufzubrechen. Ich bediene mich alter Techniken und arbeite z.B. in Schichten. Ich möchte das klassische Gemälde in die Gegenwart transportieren. Deswegen die Auflösung des alten, schweren Ölgemäldes, das Brechen mit der Tradition – sowohl thematisch als auch optisch. Auch graphische Elemente lass ich mit einfließen.

 

Marija: Das Thema sind die Körper, vor allem Männerkörper.

 

Offerus: Das ist schon sehr Themen- und Projektbedingt. Bei Trans/Masc geht es um die schwule, queere Subkultur. Für mich gibt es da einige Unterschiede. Deshalb sage ich ja immer: Mein queer ist nicht dein queer. Weil die schwule Welt teilweise eine ganz andere ist als der akademisch geprägte Begriff queer zum Ausdruck bringt. Es versteckt sich auch ein Drag King, also eine biologische Frau unter den Protagonisten meiner Gemälde, was vielleicht auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Im Großen und Ganzen ging es mir hauptsächlich um diese Subkultur und deren Diversität auf allen Ebenen. Meine Arbeiten sind Camp. Diese Überinszenierung geht fast schon ins Kitschige, auch mit den Farben, irgendwie abdriftend. Das ist schon sehr bewusst gewählt.

 

Marija: Wir werden deine neueren Werke auch in der Ausstellung sehen. Sie sind viel reduzierter als die Serie davor. Auffällig ist, dass der Hintergrund von Serie zu Serie stets größer wird. Die weiße Fläche kreiert einen Sog.

 

Offerus: Ja, hier wollte ich die Reduktion noch einmal verstärken. In den früheren Arbeiten passierte noch viel mehr auf den Flächen. Die Erweiterungen sind unterschiedlich ausgeprägt, da sie von den Personen inspiriert sind. Die dargestellten Personen stammen allesamt aus dieser Subkultur. Das ist mir ganz wichtig. Da ich die Diversität dieser Subkultur aufzeigen will. Es kann ein Schmelztiegel sein: Es kann ein Stricherjunge neben dem Geschäftsmann sitzen oder einem Akademikerkind. Es ist also divers auf eine bestimmte Art und Weise. Ein weiterer Punkt in meiner Arbeit ist auch das Thema Cyborgs der Science- Fiction. Die Cyborgisierung kann wie eine Denkschablone verwendet werden, um Maskulinität zu hinterfragen, neu zu kreieren und neu zu definieren. In dieser Hinsicht funktioniert das Gemälde wie eine Zeitkapsel: Von der Vergangenheit aus (Technik, Methode, Gemälde), entwickelt es sich in die Gegenwart (Motiv) und in die Zukunft (Cyborgisierung). Ich fand es sehr spannend das Thema der Zeitkapsel, der Science-Fiction in einem Gemälde festzuhalten. Die Cyborgisierung wird sehr durch die Personen geprägt: Es finden Foto-Shootings und Gespräche statt und auf das hin, entwickelt sich auch das Infinito.

 

Marija: Dass du eine Zukunftsthematik auf einem traditionellen Medium und mit der alten Technik wiedergibst, macht deine Zeitkapsel aus.

 

Offerus: Wenn ich von Zeitkapsel spreche, spiele ich auch mit den Gedanken: Was ist, wenn diese Arbeiten in einigen hundert Jahren wiederentdeckt werden? Was denkt man dann von dieser Epoche? Dann habe ich durch meine Bilder im Vorfeld schon die Idee einer Epoche geprägt. Das sind für mich sehr interessante Ansätze.

 

Marija: Die Schnittstelle ist das Zeitdokument im Hier und Jetzt. Wohin führt unsere Zukunft?

 

Offerus: Deshalb ist das Infinito sehr interessant, vor allem was den Geist betrifft. Kann man einen Geist auf eine Festplatte hochladen und was ist dann ein Körper? Oder Prothesen?

 

Marija: Prothesen sind quasi Erweiterungen des Körpers bzw. ein Teil davon.

 

Offerus: Man kann das ganz einfach zusammenfassen: Die Cyborgisierung in meinen Gemälden sind entweder außerhalb des Körpers vorhanden oder sie findet direkt auf dem Körper statt.

 

Marija: Also, ist es der Körper mit Prothese oder ist es der Geist auf der Festplatte?

 

Offerus: Ja, genau. Diese Körperoptimierungen als Verbesserungen – es fängt schon bei der Brille an, aber auch das Smartphone ist eine Erweiterung des Körpers und auf diese Art und Weise auch eine Körperoptimierung. Das wäre quasi der erste Schritt zum Cyborg, aber es geht noch viel weiter. Da passiert gerade sehr viel.

 

Marija: Es werden beispielsweise Prothesen mit 3D-Druck hergestellt oder sie werden durch die Nervenbahnen über das Hirn gesteuert.

 

Offerus: Ja, das stimmt. Vor kurzem habe ich eine Doku über das Thema geschaut und es wurde besprochen, dass das Gehirn dafür eine Art eigene Empfindung entwickelt. Das Gehirn steht also in gewisser Maße in Wechselwirkung mit der Prothese. Da stellt sich erneut die Frage: Wo fängt der Körper an und wo hört er auf? Das macht sehr viele neue philosophische Felder auf. Foucault spricht von dem Begriff der Biomacht, also im erweiterten Sinn auch von Steuerung von Körpern. Wer steuert den Körper, wie wird das gemessen, usw. Ganz interessant für mich ist auch Donna Haraway und das Cyborg Manifesto. Ich wollte auch eine Masse an Arbeiten herstellen. Mir ging es darum einen neuen Blick zu kreieren und durch die Masse an Arbeiten auch durchzusetzen. Ich liebe diesen Ansatz von Haraway, dass sie sagt, wir brauchen neue Geschichten. Geschichten, in diesem Fall die Science-Fiction, sind auch das, was die Zukunft beeinflusst.

 

Marija: Die Zukunft wird jetzt geschrieben.

 

Offerus: Genau. Ein männliches Bild kann jetzt geschrieben werden, lasst uns umdenken!