trānsfōrmāre 

(lat. umbilden, verwandeln, umwandeln, umformen, umgangssprachlich: umkrempeln)

 

Nichts steht still. Panta rhei – alles fließt. Und wenn alles fließt, befindet sich auch alles im Wandel. Doch jeder Wandel ist schwer… Denn im gegenwärtigen Moment zwischen dem Vergangenem und dem Zukünftigen passiert das bis dato Unmögliche: Ein Bruch oder Riss in der Struktur, der das Statische ins Wanken bringt. Es ist das Über – das Trans – dass das performative Potenzial der Veränderung beschreibt. 

 

Offerus Ablingers Serie „Trans/Masc“ eröffnet zahlreiche Bedeutungsebenen, die als Missing Link zwischen Kunst und Wissenschaft, Mensch und Maschine sowie Präsens und Zukunft gedeutet werden können. Die Werke fungieren als Zeitkapsel: Die Technik der alten Meister wird mit dem futuristischen Sujet der Cyborgisierung im Motiv des Hier und Jetzt vereint. Die Fragmentierung der Körper dient der abstrakten Körpererweiterung. Doch was ist ein Körper? Wo fängt er an, wo hört er auf und wie sieht der künftige Körper aus?

 

Der Transhumanismus steht symbolisch für die Veränderung und besonders die Überwindung des binären Körpers. Die nächste Evolutionsstufe der Menschheit bedeutet die Fusion mit der Technologie, die kein Geschlecht besitzt. Es ist ein Sinnbild für das Nicht-Binäre. Die Auflösung der Makellosigkeit des darwinistischen Männlichkeitsprinzips überwindet Ablinger durch die Wechselwirkung des Dargestellten und Nicht-Sichtbaren. Es werden Sichtweisen, Sehgewohnheiten und Blickregime aufgebrochen, die sich dem abgeschlossenen System der Heteronormativität entziehen. Die kunsthistorische Rezeption wird daher umgestülpt und ein neues – queeres – Weltbild offenbart sich. Der Phallus weicht dem Penis, die Konvention der sich wandelnden Realität. Durch die Veränderung der Lesbarkeit wird ein Tabu umcodiert. Es geht darum dem queeren Körper (im Sinne des Aktes oder Handlungskörper) seine natürlichen Rechte und Privilegien zuzuschreiben. Queer ist nicht nur als sexuelle Identität zu begreifen, es ist eine Lebensphilosophie. Überdies ist es eine unentbehrliche, politische Haltung. Die physische Haltung (die Pose) sowie die geistige Haltung (die Positionierung) erfordern Rückgrat. Beides bleibt nicht ohne Wirkung. 

 

Diese Utopie der ästhetischen Sensibilität wird in der Realität zu einer zwingenden Notwendigkeit und die dazugehörige Maßnahme ist ein subversiver, emanzipatorischer sowie pädagogischer Protest gegen das Statische. In diesem Sinne trifft das Zitat von Theodor Ballauff zur Pädagogik der selbstlosen Verantwortung der Wahrheit auf die Arbeiten Ablingers zu:

„Im Denken, in der anfänglichen Helle des Wandels, sind wir und offenbar als zeiträumliches Seiendes; [...] Vor allem aber leben wir alle in der Bewegung, in ihr und durch sie sind wir. [...] Sie geht nicht räumlich und zeitlich vor sich, sondern zeiträumlich“. 

Zeiträumlichkeit meint in diesem Sinne keine messbare Zeitspanne, sondern beschreibt eine Bewegung des Denkens bzw. einen Denkraum, der eine Handlung – einen Vollzug – voraussetzt. Es ist ebendiese Forderung Ablingers die Fehler der Vergangenheit im Interesse der Zukunft umzusetzen, indem man sich damit auseinandersetzt. Die kunsthistorische Tradierung obliegt daher dem Wandel, denn nichts steht still. Panta rhei – alles fließt. 

Marija Nujic

 

 

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Theodor Ballauff: Systematische Pädagogik. Heidelberg, 1970, 163.